Diese Ausstellung zeigt in ihrer Konzentration einige wenige Arbeiten aus der großen Fülle, die Rainer Possert in den letzten Jahren geschaffen hat. In einem breiten Spektrum an Möglichkeiten widmet er sich mit seiner Fotografie, in einer permanenten Suche, der Darstellung von vorgefundenen Strukturen und dem Überfluss an Weggeworfenem.
Unterwegs in diesem Rudiment der Zivilisation, einen Schrottplatz erkundend, lässt sich Schönheit entdecken, die sich in Schlichtheit und gleichzeitigem Detailreichtum manifestiert - weil so viel da ist. Jedes Detail wirkt wie ein Bild aus Wörtern und Zeichen. Rainer Posserts Blick versucht diese zu lesen. Sein Interesse gilt insbesondere den Erscheinungsformen der Ästhetik - gleichermaßen widersetzt er sich klassisch ästhetischer Konventionen.
Im urbanen Gefüge finden sich neben flüchtig leichten Atmosphären, schwere aufgetürmte Trümmer - Eisen, Holz, Glas, Erde… und immer wieder vereinzelte aber pointierte Buntheit. Beim Betrachten kulminieren die Eindrücke der ruhigen, teils intensiven Farbpalette und des geordneten Bildraumes mit geometrischen Strukturen, zu einem Spiel aus Konstruktion und Dekonstruktion und lassen konkrete Bezüge der Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte erkennen. Die eingefangenen Lichtsituationen sowie stechend scharfe Kanten, kontrastieren mit zerlaufenen Texturen und durchschimmernden Botschaften, sich zersetzenden, abgenutzten Oberflächen, Anstrichen oder zerknüllten Kunststoffen. Possert: „Diese Objekte haben oft lange Produktions- und Verwertungsprozesse hinter sich, sind durch viele Hände gegangen und fallen nun achtlos Verrottungsprozessen anheim, so wie deren Produzenten selbst keine Achtung erfahren haben.“
Als Motiv bringt uns diese Spur der Alltäglichkeit - der Müll unserer Welt, das Ende der Dinge näher. Rainer Posserts Fotografien beschreiben den Moment des Vergehens in einem Kreislauf, der an dieser Stelle wieder beginnen könnte. Hierzu bezeichnet Paolo Bianchi, Herausgeber von Kunstforum International, Müll als unseren Schatten und auch als Schatten der Kunst. Noch nie hat eine Gesellschaft so viel Abfall produziert wie die unsere. Materiell und moralisch. Dadurch zeigt sich in Rainer Posserts Arbeiten neben emotionaler Wirkung, ebenso die gesellschaftliche Kritik. Fernab des alltäglichen Konsums lotet er den Kontext von Abfall, der als wertlos oder auch nicht besonders wertvoll begriffen wird, aus. „Das Hauptprodukt der modernen und postmodernen kapitalistischen Industrie ist der Müll. Wir sind postmoderne Wesen, weil wir erkennen, dass all unsere ästhetisch ansprechenden Konsumgüter letztlich als Überreste enden werden, bis zu dem Punkt, an dem sie die Erde in eine riesige Wüste verwandeln werden.“
Sarah Bildstein über Fotografien von Rainer Possert